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Am 24. Dezember 1979 hebt die erste europäische Trägerrakete ab - DLR von Anfang an dabei

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Der Ariane-Erststart am 24. Dezember 1979
Bild: ESA/CNES/Arianespace

24. Dezember 1979: Am südamerikanischen Raketenstartort Kourou in Französisch-Guyana erhebt sich unter donnerndem Fauchen erstmals die neue europäische Trägerrakete Ariane in den Himmel, ein ebenso wichtiger wie auch äußerst markanter Tag für die gesamte europäische Raumfahrt. Erstmals gelingt es den Mitgliedstaaten der europäischen Weltraumorganisation ESA, eine eigene Trägerrakete in den Weltraum zu starten - ein bedeutsamer Grundstein für die bis heute grandiose Karriere des Ariane-Trägersystems.

Einen bemerkenswerten Anteil an diesem Erfolg hat die Deutsche Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR), Vorgängerin des heutigen DLR. In ihrer Außenstelle Lampoldshausen bei Heilbronn wurden die Viking-Triebwerke für die zweite Stufe getestet und qualifiziert.

Mit diesem historischen Erstflug setzte die europäische Raumfahrt einen Meilenstein in der kommerziellen Raumfahrt. Ein langer Weg, der für alle Beteiligten eine Vielzahl von Hürden und Stolpersteinen bereithielt. Nach dem Kriege bestand in Deutschland zunächst verständlicherweise kein Bedarf an Raketen-Know-how. Eine erste Keimzelle für ein künftiges Raketenprogramm entstand allerdings Ende der fünfziger Jahre in Baden-Württemberg.

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Viking-Triebwerk als technischer
Geburtshelfer der Ariane (Bild: DLR)

Raketenforscher Eugen Sänger gründete in Stuttgart das "Forschungsinstitut für Physik der Strahlantriebe", später dann im Harthäuser Wald bei Heilbronn den geeigneten Standort für ein entsprechendes Testgelände. Im Herbst 1962 begannen auf den neuen Triebwerksprüfständen erste Tests - für ein damals noch nationales Raketenprogramm. Der Prüfstand P2 war bereits für Triebwerke bis zu 100 Tonnen Schub ausgelegt.

1962: Europäisches Projekt mit Anlaufschwierigkeiten

Zu dieser Zeit kamen allerdings Politik, Forschung und Industrie zu der Überzeugung, dass ein anspruchsvolles Trägerraketenprogramm die Möglichkeiten einer einzelnen Nation übersteigen müsse, die Realisierung entsprechender Planungen folgerichtig nur im internationalen und damit im europäischen Verbund möglich sei. Diese Überlegungen führten im Juni 1962 zur Gründung des ersten europäischen Weltraumgremiums, der "European Launcher Developement Organisation" (ELDO), der nur wenige Wochen später mit der Gründung der "European Space Research Organisation" (ESRO) auch eine entsprechende multinationale Weltraumforschungsorganisation folgte.

Die beteiligten Nationen waren sich schnell darin einig, neben Satelliten auch eigene Trägerraketen zu entwickeln und zu bauen. Aus einzelnen nationalen Programmen in Großbritannien und Frankreich existierten bereits Grundlagen für die Entwicklung einzelner Raketenstufen und ihrer Motoren. So sollten die Basisentwicklungen des britischen Blue-Streak-Programms für die erste Stufe einer neuen Europa-Rakete genutzt werden, diejenigen aus dem französischen Veronique-Höhenforschungsprogramm für die zweite Stufe. Unklar blieben zunächst die Zuständigkeiten für die dritte Stufe, immerhin aber hatten sich die an ELDO beteiligten Nationen bereits für einen Startplatz in Australien entschieden, wo die Briten bei Woomera bereits über ein entsprechendes Gelände verfügten.

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Forschung an den Dampferzeugersystemen
Bild: DLR

Nach einigen, vornehmlich politisch begründeten Anlaufschwierigkeiten einigten sich die ELDO-Staaten, die Entwicklung der dritten Stufe nach Deutschland zu vergeben, ein zweifellos anspruchsvoller Auftrag für Industrie und Forschung der noch jungen Bundesrepublik. Wissenschaftler und Ingenieure definierten ein mittelenergetisches Triebwerk mit einem Schub von 22,5 Kilonewton. Im Rahmen dieser Arbeiten erfuhr das Testgelände Lampoldshausen eine nennenswerte Erweiterung. So wurden neue Höhenprüfstände gebaut, um die Triebwerke unter Weltraumbedingungen testen zu können. Hierfür entstanden zusätzlich spezielle Dampferzeuger, mit deren Hilfe die Vakuumbedingungen des Weltraums simuliert werden sollten.

1968: Die glücklose Europa-Rakete

Nach umfangreichen Testläufen sollte die erste Europa-Rakete im Spätherbst 1968 von Woomera aus starten. Doch dieser erste Start scheiterte. Auch ein zweiter Start im Sommer 1969 geriet zum Misserfolg, erst ein knappes Jahr später gelang der erste erfolgreiche Start - wenngleich noch keine Nutzlast mitgeführt werden konnte und der Flug ebenfalls mit Problemen behaftet war.

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Prüfstand P2 beim DLR in Lampoldshausen
Bild: DLR

Bei der Analyse der Fehlschläge trat schnell ein beträchtliches Defizit in der technisch-wissenschaftlichen Kooperation und Abstimmung der beteiligten Länder zutage. Hinzu kamen unterschiedliche Bewertungen des Vorhabens aus politischer Sicht, die letztlich den Erfolg vereitelten. Zwar gab es weitere Startversuche, namentlich auf Drängen Frankreichs hin begannen sogar erste Entwicklungsarbeiten zu einer Europa-3-Rakete. Dennoch beschloss die ELDO im Frühjahr 1971 die Einstellung des kompletten Europa-Raketenprogramms.

Damit schien die Realisierung einer europäischen Trägerrakete zunächst in weite Ferne gerückt. Dies bedeutete allerdings keineswegs das Aus für das Raketentestgelände Lampoldshausen. Immerhin zählte der Standort mit seinen diversen Höhenprüfständen mittlerweile zu den modernsten seiner Art. Zudem hatte der Standort - mittlerweile unter der Regie der neu entstandenen Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt (DFVLR) - mit MBB einen wichtigen und zuverlässigen Industriepartner gefunden.

Neue Aufgaben ließen auch nicht lange auf sich warten. So wurden in Lampoldshausen die Steuertriebwerke für den ersten, experimentellen deutsch-französischen Kommunikationssatelliten SYMPHONIE qualifiziert, beide SYMPHONIE-Satelliten sollten später zu einem wichtigen Erfolg der europäischen Raumfahrt werden.

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Triebwerks-Test der OTRAG-Rakete
Bild: DLR

Einen weiteren bedeutsamen Auftrag erhielten die Techniker und Wissenschaftler des Standortes Lampoldshausen durch die Mitarbeit an einem privaten Raketenprojekt der Orbital Transport- und Raketenaktiengesellschaft (OTRAG) des Raumfahrtingenieurs Lutz Thilo Kayser. Dieser ambitionierte Selfmade-Raketenbauer plante ein kommerzielles Trägerraketenprogramm, allerdings wählte er für sein Vorhaben politisch höchst umstrittene Startplätze in Zaire und Libyen. Ein nennswerter Erfolg war der OTRAG auch nicht beschieden, immerhin aber nutzten die Spezialisten in Lampoldshausen im Rahmen mehrerer Tests für Kayser die wichtige Gelegenheit, weiteres Know-how auf dem Gebiet der Raketentechnologie zu erwerben und unter Beweis zu stellen.

1975: Die Gründung der ESA als Ariane-Geburtshelfer

Mittlerweile wurde die Notwendigkeit einer eigenen europäischen Trägerrakete zunehmend virulenter, auch die Politik erkannte endlich die hohe Wertigkeit des Themas in aller Konsequenz. 1975 wurde folgerichtig eine neue europäische Weltraumorganisation gegründet, die "European Space Agency" (ESA). Und sogleich nahmen die Wissenschaftler die Arbeit zu einem europäischen Trägerraketensystem wieder auf. Die Vorzeichen waren mehr als ermutigend, stand doch nach der glücklosen Episode mit der Europa-Rakete jetzt exzellentes technologisches Know-how in Frankreich und Deutschland zur Verfügung. In den Testzentren Vernon und Lampoldshausen hatte eine ebenso hochmotivierte wie auch hochqualifizierte Community ihre Kompetenz für Entwicklung und Test von leistungsstarken Raketentriebwerken nachhaltig unter Beweis gestellt.

Jetzt waren auch die institutionellen und strukturellen Voraussetzungen für das Gelingen eines europäischen Weltraum-Verbundvorhabens endlich gegeben. Zudem verfügte Frankreich mit seinen Einrichtungen in Kourou über einen denkbar geeigneten Startplatz für eine künftige europäische Trägerrakete.

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Einbau in den Prüfstand - Bild: DLR


Gerade Frankreich hatte strategischen Weitblick bewiesen und die Arbeiten an einem Trägerraketensystem nie aufgegeben. Im Gegensatz zum Europa-Raketenprojekt erfuhr das neue Vorhaben zunächst auch eine unerlässliche Straffung und Optimierung in Struktur und Management. Die technische Verantwortung für das neue Programm übernahm die französische Raumfahrtagentur "Centre National d´Etudes Spatiales" (CNES). Unter diesem einheitlichen Dach sollten alle Entwicklungs- und Fertigungsarbeiten koordiniert und durchgeführt werden. Und jetzt endlich erhielt das neue ehrgeizige Vorhaben auch seinen Namen: Ariane. Dieser Name orientierte sich an Ariadne, einer der großen Figuren aus der griechischen Mythologie - vor allem aber bot der neue Name eine mühelose Aussprache in allen Sprachen der ESA-Mitgliedsländer.

Frankreich übernahm bei der Ariane-Entwicklung den finanziellen und technologischen Löwenanteil, so lagen Entwicklung und Bau der ersten und dritten Raketenstufe bei dem Luft- und Raumfahrtkonzern Aerospatiale. Die zweite Stufe hingegen sollte unter Federführung des norddeutschen Technologiekonzerns MBB-ERNO aus Deutschland bereitgestellt werden. Darüber hinaus sollte MBB weitere Komponenten für die Oberstufentriebwerke liefern.

1976: Das DLR schreibt mit seinen Triebwerks-Prüfständen Ariane-Geschichte

Durch diese anspruchsvollen Planungen erfuhr der Standort Lampoldshausen eine deutliche Aufwertung, was vor allem eine Umrüstung und Erweiterung der Testeinrichtungen und Prüfstände erforderlich machte.

Ab 1976 begannen die Testläufe, die Triebwerke arbeiteten zuverlässig und erfüllten die in sie gesetzten Erwartungen. Die Triebwerke für die geplante Ariane 1 entwickelten einen Schub von 611 Kilonewton. Vier dieser Triebwerke sollten die erste Raketenstufe antreiben, ein weiteres Viking-Triebwerk die zweite Stufe. Die dritte Stufe sollte ein HM-7-Triebwerk erhalten, das von flüssigem Wasserstoff und flüssigem Sauerstoff angetrieben werden sollte.

Im Verlauf der nächsten drei Jahre wurden in Lampoldshausen alle Tests und Qualifikationsläufe der Viking-Triebwerke - auch unter Höhenbedingungen - erfolgreich durchgeführt.

2009: Einzigartiges Konzept hat sich durchgesetzt

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Am 29. Oktober 2009 startete die Ariane 5ECA mit den Schriftzügen
"Forum Ariane Lampoldshausen" und "Heilbronner Land" von Kourou aus
Bild: ESA/CNES/Arianespace


Für den 15. Dezember 1979 schließlich war der der erste Start der Ariane-Rakete vorgesehen. Doch technische Probleme an der Startvorrichtung in Kourou erforderten eine Neuansetzung des Starts auf den 23. Dezember. Dieser Termin konnte schließlich aus Witterungsggründen nicht eingehalten werden - aber am Tage darauf, dem 24. Dezember gelang ein perfekter Start, Ariane erreichte einen Orbit in 218 Kilometern Höhe, eine 1,6 Tonnen schwere experimentelle Instrumentenkapsel konnte erfolgreich ausgesetzt werden. Damit hatten sich Frankreich und Deutschland als wichtige europäische Raumfahrtnationen ein absolut überzeugendes und passendes Weihnachtsgeschenk bereitet, endlich war der schon lange fällige Nachweis erbracht, dass neben den Supermächten USA und Sowjetunion auch Europa imstande sein konnte, sich einen eigenen Zugang zum Weltraum zu erarbeiten.

Unaufhaltsam begann von nun an eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die Ariane-Versionen 1 bis 4 absolvierten zahlreiche Starts, die überwiegend meisten davon erfolgreich. Auch wenn kleinere Rückschläge nicht ausblieben, so setzte sich das Konzept doch durch und wurde schließlich zu einem beispiellosen technologischen und kommerziellen Erfolg.

Seit 1998 ist das jüngste Mitglied der Trägerraketenfamilie, die Ariane 5, erfolgreich im Einsatz. Sie steht heute für eine gesicherte Zukunft der europäischen Raumfahrt mit dem Standort Lampoldshausen als einem unverzichtbaren Bestandteil.

 



 

 

(Quelle: DLR)

 

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