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Internationales Forscherteam vergleicht die heißen Sommer der Jahre 2003 und 2010 – Hitzewelle 2010 brach alle Rekorde – Publikation in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ Ein internationales Forschungsteam, an dem mit Prof. Jürg Luterbacher (Institut für Geographie) auch ein Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen (JLU) beteiligt waren, hat erstmals detailliert die Hitzesommer von 2003 und 2010 verglichen. Sie stellten dabei fest, dass der Sommer 2010 in klimatischer Hinsicht beispiellos war: Noch nie seit mindestens 500 Jahren wichen die Sommertemperaturen Europas so stark von der Norm ab. Die Hitzewelle über Osteuropa und Russland forderte viele Hitzetote und verursachte große ökonomische und ökologische Schäden. Ein weiteres Ergebnis der Studie: Der menschgemachte Klimawandel wird solche Extremsommer häufiger auftreten lassen. An dieser Untersuchung waren auch Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, der Agencia Estatal de Meteorología Madrid und der Universität Lissabon beteiligt. Die internationale Forschergruppe hat ihre Resultate nun in der renommierten Fachzeitschrift „Science“ publiziert.

Insbesondere die Menschen in Russland litten 2010 unter der außergewöhnlichen Hitze. In Moskau wurden Tagestemperaturen von knapp 40 Grad Celsius registriert. Verheerende Brände aufgrund der Trockenheit vernichteten eine Fläche von einer Million Hektar, rund 25 Prozent der Ernte fielen aus. Der geschätzte Schaden beläuft sich auf 15 Milliarden US-Dollar. Zwar kollabierten auch in Deutschland Reisende in unklimatisierten Zügen, trotzdem ist im kollektiven Bewusstsein – zumindest der Westeuropäer – immer noch der Hitzesommer von 2003 als „der extremste Sommer“ verankert.

Die Hitzewelle von 2010 brach alle Rekorde sowohl in Bezug auf die räumliche Ausdehnung als auch die Temperaturabweichung vom Mittel. Die gemessenen Temperaturen lagen zwischen 6,7 bis 13,3 Grad Celsius über dem Sommermittel. Die Hitzewelle erstreckte sich über eine riesige Fläche von rund zwei Millionen Quadratkilometern – das entspricht knapp sechs Mal der Fläche Deutschlands. Der Sommer 2010 war im Mittel über Gesamteuropa 0,2 Grad Celsius wärmer als jener von 2003. Was sich nach wenig anhört, ist – auf die riesige Fläche und auf den gesamten Sommer hinaus berechnet – viel. „Dass wir den Sommer von 2003 als extremer wahrgenommen haben, liegt insbesondere daran, dass Westeuropa 2003 von der Hitzewelle mehr betroffen war und es über einen langen Zeitraum warm blieb“, erklärt Jürg Luterbacher, Professor am Institut für Geographie der JLU.

Der Grund für die Hitzewellen in 2003 und 2010 war in beiden Fällen eine sogenannte Omega-Lage. Es handelt sich dabei um ein stabiles und ausgedehntes Hochdruckgebiet, das westlich und östlich von einem Tiefdruckgebiet begrenzt wird. 2010 lag das Zentrum dieses blockierten Hochdruckgebiets über den Landmassen Russlands. Das östliche Tiefdruckgebiet war für die Überschwemmungen in Pakistan mitverantwortlich. Doch die stabile Hochdrucklage war nicht die einzige Ursache für die außerordentliche Hitze von Juli bis Mitte August 2010: Hinzu kamen eine frühe Schneeschmelze und wenig Niederschlag, was den Boden austrocknete und die Situation zusätzlich verschärfte. „Solch lang andauernde Hochdrucklagen im Sommer sind zwar selten, kommen aber immer wieder vor. Es war deshalb von Interesse für uns, die Hitzewellen von 2003 und 2010 im Kontext der letzten Jahrhunderte zu analysieren“, sagt Luterbacher.

Zu diesem Zweck verglichen die Wissenschaftler die jüngsten Hitzewellen mit Daten aus den vergangenen Jahrhunderten. Bis ins Jahr 1871 liegen tägliche Durchschnittstemperaturen vor. Für die Zeit davor nutzten die Forscher jahreszeitliche Daten, die mit Hilfe von historischen Dokumenten aus Archiven, Baumringen, Eisbohrkernen und frühinstrumentellen Messungen ermittelt wurden. Die Sommer 2003 und 2010 brachen in der Hälfte Europas die Hitzerekorde der letzten 500 Jahre. „Aus Einzelereignissen, wie sie die Hitzewellen von 2003 oder 2010 darstellen, lassen sich keine direkten Aussagen über den Klimawandel ableiten“, betont Luterbacher. „Dass diese zwei Rekordsommer und drei weitere sehr heiße Sommer in den letzten 10 Jahren stattfanden, ist jedoch bemerkenswert und die Häufung dieser Phänomene stimmt uns nachdenklich.“

Um herauszufinden, ob solche extremen Wettereignisse auch in Zukunft vermehrt stattfinden könnten, analysierten die Forscher die Zeiträume von 2020 bis 2049 und von 2070 bis 2099 mit Hilfe von elf regionalen, hoch aufgelösten Klimamodellszenarien. Die gute Nachricht: Die Hitzewelle 2010 war so extrem, dass solche Phänomene auch in den nächsten Jahrzehnten außergewöhnlich bleiben werden. Am Ende des Jahrhunderts deuten die Modelle jedoch im Mittel alle acht Jahre auf eine Hitzewelle vom Ausmaß des Extremsommers von 2010 hin. Hitzewellen wie 2003 werden nach Ansicht der Forscher bis zum Ende des 21. Jahrhunderts schon fast zur Normalität. Während die genauen Häufigkeitsänderungen stark vom Modell abhängen, zeigen alle Simulationen, dass die Hitzeperioden in Zukunft häufiger, intensiver und anhaltender werden.

Caroline Link
Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Justus-Liebig-Universität Gießen

 

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