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PEKING, (RIA Novosti). Die chinesischen Beamten und Wissenschaftler haben eingesehen, dass eines der ehrgeizigsten Projekte des modernen China, das Wasserkraftwerk Drei Schluchten am Jangtse-Fluss, zu einer Umweltkatastrophe führen kann.

Das meldete die Nachrichtenagentur Xinhua mit Berufung auf die Sitzung eines speziellen Umweltforums in der Stadt Wuhan.

Das Projekt des Drei-Schluchten-Wasserkraftwerks wurde 1993 nach einer direkten Anordnung des damaligen Staatsatsvorsitzenden Li Pen behauptet. Die Bauarbeiten begannen später, und im Mai 2006 wurde der Jangtse-Fluss durch einen 2309 Meter langen und 185 Meter hohen Damm durchquert.

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Blick auf die Hauptmauer des
Drei-Schluchten-Damms während
der Bauphase (Apr. 2006)

Das Wasserkraftwerk soll bereits ab 2008 vollwertig funktionieren, ein Jahr vor der Frist, die von der chinesischen Regierung angeordnet wurde. Bis dahin werden die letzten zwölf Generatoren von insgesamt 26 installiert, die 85 Milliarden Kilowatt Strom im Jahr liefern sollen.

Der Damm bildete einen riesigen Stausee am Jangtse, wegen dem mehr als 1,3 Millionen Menschen umgesiedelt wurden.

Das Projekt rief von Anfang an Umweltbedenken bei den Wissenschaftlern hervor. Doch da es sich unter der unmittelbaren Schirmherrschaft der damaligen Regierung des Landes befand, war es unmöglich, die Bauarbeiten anzuhalten.

Erst jetzt, als der Damm bereits fertig und Li Pen längst im Ruhestand ist, werden in der offiziellen chinesischen Presse prominente Stimmen laut, die das Projekt ohne Umschweife als potentielle Umweltkatastrophe bezeichneten.

Die Teilnehmer des Forums in Wuhan sagten, dass das Drei-Schluchten-Projekt „erheblichen negativen Einfluss“ auf die Umwelt im Umkreis von 600 Kilometer vom Zentrum des Stausees und an den Jangtse-Ufern ausübe.

Das riesige Gewicht des angestauten Wassers zerstöre die Ufern der Flüsse, was gemeinsam mit den Schwankungen des Wasserstandes zu Erdrutschen führe.

Der Vizebürgermeister der Stadt Chongqing, die neben dem Stausee liegt, Tan Qiwei, sagte, dass die Ufer in der letzten Zeit in 91 Stellen insgesamt 36 Kilometer lang einstürzten.

Die Erde rutsche so massiv ab, dass die Stücke beim Fall ins Wasser mehrere Dutzend Meter hohe Wellen auslösten. Das sagte der Leiter des Stabs für die Verhinderung von geologischen Katastrophen am Drei-Schluchten-Staudamm, Huang Xuebin. Diese Wellen fallen auf die Ufer und ziehen weitere Zerstörungen nach sich.

Die Wasserqualität im Jangtse und seinen Nebenflüssen sinkt: Da das Wasser im Stausee stagniert, vermehren sich dort die Algen. Auch der Industrieboom in der Region darf nicht vergessen werden: Viele industrielle Schadstoffe geraten ins Wasser und stauen sich im Stausee an.

„Wenn keine Vorbeugungsmaßnahmen getroffen werden, führt das Projekt zur Katastrophe“, erklärten die Teilnehmer des Forums.

Der Direktor der Staatsratskanzlei für das Drei-Schluchten-Projekt, Wang Xiaofeng, hat gesagt, dass diese Probleme adäquate Maßnahmen seitens aller Interessenten, darunter der Regierung, verdienen. Er sagte, dass Ministerpräsident Wen Jiabao in einer zuvor stattgefundenen speziellen Staatsratssitzung die Umweltbesorgnisse um das Drei-Schluchten-Projekt als „wichtigste Probleme, die eine Lösung fordern“ bezeichnete.

Wan Xiaofeng hat gesagt, dass die Regierung in den letzten Jahren circa 1,5 Milliarden US-Dollar für die Bekämpfung und Vorbeugung von Erdrutschen verwendet hat. Es wurden auch 70 Kläranlagen gebaut und 70 000 Menschen aus den gefährdeten Regionen umgesiedelt.

Im Juni erschien in einer Parteizeitung der Stadt Chongqing ein Artikel, in dem der 78jährige Ex-Premier Li Pen die Entscheidung über den Bau des Wasserkraftwerks in der Region verteidigt. Li Pen hat in seiner Ruhestandperiode praktisch keine öffentlichen Kommentare abgegeben, zumal über das Drei-Schluchten-Projekt.

Der ehemalige Staatsratsvorsitzende brachte das wirtschaftliche Aufblühen der Region mit dem Bau des Drei-Schluchten-Damms in Verbindung und fegte alle Umweltsorgen vom Tisch.

Die örtlichen Beobachter schließen einen politischen Hintergrund der Umweltdiskussionen um die Drei Schluchten nicht aus. Beim 17. Kongress der Kommunistischen Partei Chinas, der Mitte Oktober stattfindet, sollen bestimmte Personaländerungen stattfinen. Wahrscheinlich sollen die Vertreter der vorigen Generation der chinesischen Führer ihre Ämter verlassen. Li Pen gehört zu den Vertretern jener Generation (die so genannte dritte Generation, vertreten durch Jiang Zemin). Obwohl er längst im Ruhestand ist, kann die Kritik an den Projekten, die zu seiner Zeit angefangen wurden, einen Versuch bedeuten, seine Weggefährten und „Schüler“ anzuschwärzen und den notwendigen Hintergrund für ihren Rücktritt zu schaffen.

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