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24. März 2011 (RIA Novosti). Zehn Jahre ist es jetzt her, als die russische Raumstation Mir von der Erdumlaufbahn geholt und im  Pazifik versenkt wurde.

 

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Foto: NASA

 

Diese Entscheidung sei absolut richtig gewesen, sagt der damalige Leiter der Luft- und Raumfahrtbehörde Rosaviakosmos, Juri Koptew, der jetzt einen hohen Posten in der High-Tech-Holding Rostechnologii bekleidet.

Zehn Jahre später: Entscheidung war richtig

„Auch zehn Jahre später finde ich die Entscheidung, die Mir zu versenken, richtig und rechtzeitig. Selbst jetzt sehe ich keine neuen Umstände, die nach 2001 entstanden wären und uns veranlassen würden, unsere Entscheidung zu ändern“, betonte er.

„Für die Bewertung der Folgen der Mir-Versenkung waren das russische Flugleitzentrum und der Raketenbauer Energija zuständig. Es gab keinen Grund, die Raumstation weiter zu betreiben, denn ihr Zustand war nahezu katastrophal: Mal fiel die Funkverbindung aus, mal versagten die Gyroskope oder die Heizanlagen. Häufig standen wir sogar vor kritischen Situationen, wenn wir bei der Korrektur der Erdumlaufbahn die Station nicht einmal kontrollieren konnten“, erinnert Koptew.

„Das Hauptargument für die Versenkung des Orbitalkomplexes Mir war die Sicherheit: Ursprünglich sollten die Systeme an Bord der Station fünf Jahre betrieben werden. Nach 15 Jahren konnten sie jedoch in jedem Augenblick versagen“, erläuterte der Experte. „Deshalb mussten wir Schluss machen, solange es nicht zu spät war.“

Keine ISS ohne Mir im Pazifik

„Dank der Mir-Versenkung konnten wir uns aktiver mit dem anderen äußerst wichtigen Projekt - der Internationalen Raumstation ISS - aktiver befassen“, fuhr Juri Koptew fort. „Wie hätte dieses neue Projekt bei nahezu ausbleibender Finanzierung entwickelt werden können, wenn wir selbst jetzt nur schwer das russische ISS-Segment ausbauen? Gleich zwei Raumstationen konnten und können wir unmöglich finanzieren.“ Derzeit liegt der Etat der Raumfahrtbehörde Roskosmos nach seiner Einschätzung bei 120 Milliarden Rubel (1 Euro= ca. 40 Rubel). „Als ich bei der Behörde arbeitete, erreichte diese Summe höchstens 20 Milliarden Rubel.“

Wie die Mir

„Die einmalige Operation zur Versenkung der Raumstation Mir wurde am 23. März 2001 mit Hilfe des angekoppelten Raumfrachters Progress M1-5 mit einem größeren Treibstoffvorrat vollzogen“, so der Sprecher des Flugzeitzentrums, Valeri Lyndin.

„Der erste Impuls zur Ausbremsung der Raumstation erfolgte um 03.32 Uhr Moskauer Zeit, der zweite um 05.00 Uhr, der dritte um 08.08 Uhr“, erzählte er. „Die dichten Atmosphärenschichten erreichte die Mir um 08.44 Uhr. Dort ging die Station in Flammen auf und zerfiel in Stücke. Die Mir-Fragmente, die nicht verbrannt wurden, versanken gegen 09.00 Uhr im Pazifik.“

„Viele Mitarbeiter des Flugleitzentrums hatten Tränen in den Augen. Sie hatten das Gefühl, als hätten sie in diesem Augenblick etwas sehr wichtiges verloren“, erinnerte sich ein Korrespondent der RIA Novosti, der damals über diese Operation berichtet hatte, die strikt nach Plan verlaufen war. Die Reste der 140 Tonnen schweren Konstruktion seien genau an dem berechneten Zielort versunken.

Besonderheiten und Segmente der Raumstation

Der erste Basisblock der Mir wurde am 20. Februar 1986 ins Weltall gestartet. Nach seiner Größe und Form ähnelte er den russischen Raumstationen der Saljut-Serie. Die Basis bestand hauptsächlich aus einem Arbeitsraum, wo der zentrale Kommandoposten und die Verbindungsanlagen untergebracht waren. Die Konstrukteure hatten für den Komfort der Kosmonauten gesorgt: An Bord gab es zwei Schlafkabinen und einen Mannschaftsraum mit einem Arbeitstisch, einem Herd, einem Laufband und einem Fahrradtrainer. Auf der Außenseite des Arbeitsraums waren zwei drehbare Solarbatterien montiert. Später montierten die Kosmonauten noch eine unbewegliche Batterie.

Vor dem Arbeitsraum befand sich ein Übergang, der auch als Schleuse bei den Ausstiegen ins offene Weltall diente. Dort gab es fünf Anschlüsse, an die die Frachtschiffe mit den Forschungsmodulen gekoppelt wurden.

Im April 1987 wurde das Modul Kwant an den Basisblock gekoppelt. Das war ein einheitlicher Raum mit zwei Luken, von denen eine als Anschluss für die Ankopplung der Raumfrachter Progress-M geeignet war. Um den Basisblock befanden sich zahlreiche astrophysische Geräte, die hauptsächlich für die Beobachtung der Röntgen-Sterne bestimmt waren, die von der Erde nicht erforscht werden können. Auf der Außenhülle brachten die Kosmonauten zudem zwei Knoten für die Befestigung von drehbaren Solarbatterien an. Wichtige Elemente der Raumstation waren die zwei großen Masten Rapana und Sofora. Sie haben die langjährige Erprobung im Weltall erfolgreich bestanden.

Das Modul Kwant-2 wurde im Dezember 1989 an die Mir gekoppelt. Mit diesem Block wurden viele zusätzliche Anlagen ins All gebracht, die für die Lebensversorgungssysteme der Raumstation und für den Komfort der Besatzungsmitglieder wichtig waren. Im Schleusenblock wurden unter anderem die Raumanzüge gelagert. Außerdem kam er als Hangar für die autonome Beförderung der Kosmonauten zum Einsatz.

Das Modul Kristall, das 1990 an die Mir gekoppelt wurde, hatte hauptsächlich Anlagen zur Erforschung von Technologien für die Entwicklung von neuen Stoffen in der Schwerelosigkeit. Ein Schleusentrakt wurde an das Modul angeschlossen.

Die Anlagen des Spektr-Moduls (1995 ins Weltall gebracht) gestatteten eine ständige Beobachtung der Atmosphäre, des Weltmeeres und der Erde. Außerdem konnten mit ihrer Hilfe medizinische und biologische Tests durchgeführt werden. Das Modul war mit vier drehbaren Solarbatterien ausgestattet, die die Forschungsanlagen mit Energie versorgten.

1995 wurde ein kleines Kopplungsmodul mit einer US-Raumfähre zur Mir gebracht.

Der Block Priroda (1996 an die Mir gekoppelt) hatte hochpräzise Anlagen für die Beobachtung der Erdoberfläche sowie für die Erforschung des menschlichen Verhaltens während langer Raumflüge ins All befördert.

Weltrekorde und Besatzungen der Mir

Die ersten Bewohner der Mir waren die sowjetischen Kosmonauten Leonid Kisim und Wladimir Solowjow, die am 13. März 1986 mit dem Raumschiff Sojus T-15 ins All flogen. Ihnen gelang der Flug von der Mir zur alten Raumstation Saljut-7, an deren Bord sie mehrere Tests durchgeführt und damit ihre Arbeit abgeschlossen hatten. Zur Mir brachten sie wertvolle Ausrüstungen.

Die Russen Sergej Saletin und Alexander Kaleri waren 2000 die letzten Raumfahrer an Bord der Mir. Sie waren Mitglieder der 28. Besatzung.

Internationale Crews befanden sich an Bord der Mir ab dem Jahr 1995. An der ersten von ihnen beteiligte sich ein US-Astronaut, an der zweiten ein Europäer. Seit März 1996 arbeiteten russische und amerikanische Weltraumforscher ständig zusammen.

Auf der Mir wurden zahlreiche Weltrekorde aufgestellt.  Die Kosmonauten mit der längsten Aufenthaltsdauer im Weltraum  waren Juri Romanenko (326 Tage, 1987), Wladimir Titow und Mussa Manarow (366 Tage, 1988) sowie Valeri Poljakow (437 Tage, 1995). Poljakow verbrachte insgesamt 678 Tage (bei zwei Flügen) an Bord der Raumstation. Noch länger (747 Tage) dauerten die drei Flüge Sergej Awdejews. Unter den Frauen absolvierten Elena Kondakowa (169 Tage, 1995) und die Amerikanerin Shannon Lucid (188 Tage, 1996) die längsten Flüge.

Neben den Langzeitexpeditionen auf der Mir fanden auch 15 Kurzzeitexpeditionen statt, die von einer Woche bis zu einem Monat dauerten. 14 von ihnen verliefen unter internationaler Beteiligung. Daran beteiligten sich Weltraumforscher aus Syrien, Bulgarien, Afghanistan und Frankreich (je fünf Mal), Japan, Großbritannien, Österreich und Deutschland (je zwei Mal) sowie der Europäischen Weltraumorganisation ESA.

Acht weitere Expeditionen dauerten drei bis fünf Tage. Ihre Teilnehmer (34 US-Astronauten, ein ESA-Astronaut, je ein Kanadier und Franzose sowie drei russische Kosmonauten) wurden mit den US-Raumfähren Atlantis (sieben Mal) und Endeavour (ein Mal) zur Mir gebracht.

Insgesamt 104 Raumforscher besuchten die Mir. Fünf Flüge absolvierte Anatoli Solowjow. Vier Mal weilte Alexander Wiktorenko, je drei Mal Sergej Awdejew, Viktor Afanasjew, Alexander Kaleri und Charles Precourt (USA) im Weltall.

78 Mal stiegen die Mir-Raumfahrer in den freien Weltraum und zwei Mal in das undichte Modul Spektr aus, wo sie insgesamt 330 Stunden und acht Minuten verbracht haben. Die meisten Außenbordeinsätze kann Anatoli Solowjow (16 Mal, insgesamt 78 Stunden) für sich verbuchen. Zwei weitere Ausstiege in den freien Weltraum (für insgesamt zehn Stunden und 56 Minuten) erfolgten von der Atlantis, als sie an die Mir gekoppelt war. Am zweiten dieser Ausstiege beteiligte sich der Russe Wladimir Titow.

Für die Beförderung der Kosmonauten zur Mir bzw. für ihre Rückkehr auf die Erde kamen 27 Raumschiffe der Serien Sojus TM und Sojus T zum Einsatz. Außerdem wurden 18 Raumfrachter  Progress und 39 Raumfrachter Progress M zur Mir gebracht. Insgesamt wurden 130 Tonnen Güter ins Weltall befördert: Brennstoff, Forschungsanlagen sowie Lebensmittel und Trinkwasser.

 

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