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Im Interview mit RIA Novosti spricht der russische Astrophysiker Nikolai Tschugai vom Institut für Astronomie über die Befürchtung einiger Wissenschaftler, dass der Riesenstern Beteigeuze bald explodieren könnte.

 

RIA Novosti: Herr Tschugai, zuletzt wurde viel über die Entstehung einer zweiten Sonne geredet. Ein Forscher aus Australien behauptet, dass der Stern Beteigeuze, der nur 640 Lichtjahre von der Erde entfernt und damit nach den Dimensionen des Weltraums sehr nahe liegt, bald explodieren kann. Die Explosion könnte dermaßen stark sein, dass die Entstehung eines superneuen Sterns von der Erde beobachtet werden könnte. Was halten Sie davon? Ist diese Nachricht aus wissenschaftlicher Sicht so bemerkenswert?

Nikolai Tschugai: Derzeit können wir nicht genau voraussagen, wann dieser Stern explodiert. Beteigeuze wird tatsächlich aus diversen Gründen von Astrophysikern aufmerksam beobachtet. Es ist einer der hellsten roten Überriesen im Himmel.

RIA Novosti: Wie groß ist dieser Stern im Vergleich zur Sonne?

Nikolai Tschugai: Wenn sichtbare Sterngrößen in Frage kommen, dann liegt die Größe der Sonne bei minus 26, was aber Ihnen als Laien nichts sagt. Man sollte lieber über die Strahlungsstärke der Sterne reden. Die Strahlungsstärke von Beteigeuze ist etwa 100.000 Mal höher als die der Sonne. Wir wissen, dass Beteigeuze ein Riesenstern und 15 bis 20 Mal schwerer als die Sonne ist. Das ist ein roter Überriese.

Für uns bedeutet das, dass dieser Stern bereits „abgelebt“ hat. Er lebte zehn Millionen Jahre, die ihm beschieden waren, wobei die letzten 100.000 Jahre er als roter Überriese „lebt“. Den größten Teil seines „Lebens“ war der Stern ein blauer Überriese. Genauso wie Rigel (β Orionis). Beteigeuze ist übrigens der hellste Stern im Wintersternbild Orion.

RIA Novosti: Sind diese Sterne von der Erde mit dem bloßen Auge zu sehen?

Nikolai Tschugai: Natürlich! Sie gehören zu den hellsten Sternen im Winterhimmel. Astrophysiker wissen, dass wenn sich ein Stern in einen roten Überriesen verwandelt, dann explodiert er bald. Solche superneuen Sterne haben wir schon gesehen, zum Beispiel im Sternbild Stier, wo eine solche Supernova die Entstehung des Krebsnebels provoziert hat. Kepler beobachtete im Jahr 1604 eine weitere Supernova.

Das war die letzte Supernova, die in unserer Galaxis zu sehen war. Aber wir wissen, dass etwa 100 Jahre nach der Kepler-Supernova ein anderer solcher Stern in der Kassiopeia explodierte, der aber aus nicht erklärlichen Gründen in Europa unsichtbar war. Wahrscheinlich passierte das im Herbst oder Winter, wenn der Himmel bewölkt ist.

Beteigeuze angeht, so wäre es für Astrophysiker großes Glück, die Explosion eines solchen Sterns zu beobachten. Wir können aber lediglich sagen, dass der Stern nur als roter Überriese explodieren kann, und diese Zeitspanne beträgt 100.000 Jahre. Wir können nicht sagen, ob sie erst begonnen hat oder bald endet.

RIA Novosti: Wäre es möglich, dass der Stern bereits explodiert ist, aber diese Strahlen die Erde noch nicht erreicht haben?

Nikolai Tschugai: Das wäre möglich. Die Lichtgeschwindigkeit ist allgemein bekannt, und das Licht von Beteigeuze braucht 640 Jahre, um die Erde zu erreichen.

RIA Novosti: Damit könnte der Stern bereits explodiert sein, aber wir sehen das noch nicht. Man behauptet, kurz vor 2012 könnten die Folgen der Explosion katastrophal für die Erde sein – wegen der Riesenmenge der ausgestoßenen Energie und der Teilchen. Was droht der Erde und ist das wirklich gefährlich?

Nikolai Tschugai: Meines Erachtens haben wir in diesem Fall nichts zu befürchten. Der Haupteffekt wird darin bestehen, dass wir eine Erscheinung - ein Aufleuchten, sehen, das jahrelang anhalten wird und die Helligkeit des Mondes, aber nicht der Sonne erreichen kann. Es gibt verschiedene Typen der Supernova, doch wir wissen, dass das eine Supernova des zweiten Typs sein wird. Bekannt ist außerdem ihre maximale Helligkeit.

Wir beobachten solche Sterne in anderen Systemen und erforschen sie. Das wird eine wirklich große Erscheinung sein, ein Aufleuchten, das die Erde in der Nacht genauso gut wie der Mond beleuchten wird. Was die Gamma-Ausstrahlung oder die Hochenergie-Teilchen angeht, so braucht man davor keine Angst zu haben. Solange die Schlagwelle uns nicht erreicht hat, haben wir nichts zu befürchten.

Das tritt frühestens dann ein, wenn die Hülle mit der Geschwindigkeit, mit der sie sich ausdehnt, die Erde erreicht hat. Diese Geschwindigkeit ist viel geringer als die Lichtgeschwindigkeit. Da das Licht von Beteigeuze die Erde im Laufe von 640 Jahren erreicht, wobei diese Geschwindigkeit nur ein Prozent von der Lichtgeschwindigkeit ausmacht, passiert das erst in vielen, vielen Jahren.

RIA Novosti: Soviel ich verstehe, gibt es in Ihrem Forschungsbereich sehr viele Entdeckungen und Hypothesen. Warum werden ausgerechnet die Supernovas so aufmerksam beobachtet?

Nikolai Tschugai: Erstens sind die Supernovas auf jeden Fall bewundernswert. Neben der Entstehung des Weltalls gehören ihre Explosionen zu den größten im Weltall, was die Energetik und Stärke angeht. Angesichts dessen entsteht die Frage: Wie funktioniert die Mechanik dieser Explosionen? Wir wissen, dass die Explosion am Ende des „Lebens“ eines Sterns steht. Wir wissen auch, dass es zwei Typen der Supernova gibt. Aber das ist nicht der einzige Grund, warum das Interesse für diese Erscheinungen groß ist.

Es stellte sich heraus, dass superneue Sterne die entscheidende Rolle für die Synthese von Elementen im Weltall spielen. Das Weltall, das ursprünglich nach dem Großen Knall entstand, bestand nur aus Wasserstoff und Helium. Damit war seine chemische Zusammensetzung sehr arm. Aus dieser Substanz, die aus nur zwei Elementen bestand, konnten weder Planeten noch Festkörper oder Leben entstehen. Es stellte sich heraus, dass dieser Stoff schrumpft, wodurch die Sterne entstehen.

Innerhalb der Sterne kommt es zu thermonuklearen Reaktionen, und verschiedene Elemente vermischen sich. Wenn die Existenz eines Sterns durch die Explosion einer Supernova zu Ende geht und diese Stoffe in die „Umwelt“ ausgestoßen werden, wird das Weltall mit neuen chemischen Elementen bereichert, die dank der thermonuklearen Fusion entstehen. Angesichts dessen können wir kühn behaupten, dass wir unser Leben superneuen Sternen zu verdanken haben.

Das Gespräch führte Samir Schachbas.


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