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Die Nachricht über den Tod des ersten deutschen Raumfahrers hat Gerhard Kowalski, Raumfahrthistoriker, nach eigenen Worten umgehauen. Denn er war ein gesunder, lebensfroher, freundlicher Mensch und kein Mensch hat damit gerechnet, dass er von einer Stunde auf die andere tot ist.

„Wir sind alle richtig gelähmt“, sagte er im Sputnik-Interview. Als ein Auslandskorrespondent der einstigen DDR-Nachrichtenagentur ADN hat Kowalski den Raumfahrtwerdegang von Sigmund Jähn vom ersten Tag an begleitet und nennt sich journalistischer Schatten des DDR-Kosmonauten. Er war beim Start in Baikonur, bei der Landung und der Rundreise durch die DDR und auch später bei den Raumfahrttagen seit 51 Jahren immer dabei.

Er erinnert sich:

„Als Sigmund Jähn ins All geflogen ist, haben wir uns natürlich gefreut. Ich habe damals gesagt, Sigmund Jähn ist unser Gagarin. Gagarin war der Allererste, und jedes Land hat seinen Gagarin. Wir waren natürlich stolz, dass jemand aus der DDR in den Weltraum fliegt. Er war der 90. Mensch im All, also unter den ersten hundert. Nach der Sowjetunion, Amerika, der Tschechoslowakei und Polen war die DDR das fünfte Land der Welt mit einem Kosmonauten. Das war damals natürlich eine ganz große Sensation. Und journalistisch dabei zu sein, den Raumpionier persönlich zu kennen und ihn zu begleiten, das war ein großes Reporterglück.“

Sigmund Jähn habe dort oben, so Kowalski, „die deutsche Sprache an Bord der sowjetischen Weltraum-Station Saljut-6 eingeführt, auch die Multispektralkamera von VEB Carl Zeiss Jena bedient und eine ganze Reihe von wissenschaftlichen Experimenten vorgenommen. Im Gepäck hatte Siegmund Jähn auch den „Sandmann“. Im Orbit sollte er im Auftrag des DDR-Fernsehens Filmaufnahmen für eine Kindersendung machen. Der „Sandmann“ war deswegen sogar in einen eigens dafür angefertigten Raumanzug gesteckt worden. Der Kommandeur der Raumstation, Wladimir Kowaljonok, der seinerseits das russische Braunbärin-Maskottchen namens Mascha, dabei hatte, verfiel auf die Idee, seine Mascha mit Jähns „Sandmann“ zu verheiraten. Jähn gefiel diese Idee und die beiden Kosmonauten filmten die Hochzeits-Szene. Doch die Leute vom Kinderfernsehen waren später gar nicht begeistert, schließlich konnten sie den Kindern schlecht einen verheirateten Sandmann vermitteln. Die Szene wurde nicht gesendet und der „Sandmann“ blieb solo.“

Nach einer Woche im Weltraum ist Jähn zurückgekommen und hat an der Auswertung seiner Forschungsergebnisse gearbeitet. Da ging es um die Fernerkundung der Erde. Im Zuge dieser Auswertung habe er auch seine Doktorarbeit geschrieben, fährt der Raumfahrtjournalist fort. „Sie wurde mit summa cum laude, dem höchsten Lob, bewertet. Leider ist sie zu DDR-Zeiten im Giftschrank gelandet und konnte erst kurz vor der Wende veröffentlicht werden. Es ging um gewisse Auswertungen von Kosmos-Aufnahmen vom Horn von Afrika.“

Nach der Wende sei Jähn kurze Zeit arbeitslos gewesen, merkt Kowalski an. „Er war General der Nationalen Volksarmee, wurde entlassen und keiner wollte ihn haben.“ Dann ist etwas passiert, was der Historiker einen Treppenwitz der deutschen Geschichte nennt. „Der zweite Deutsche im All, Ulf Merbold, der fünf Jahre nach Sigmund Jähn geflogen ist und damals Bürger der Bundesrepublik Deutschland war, stammt aus dem Vogtland, der Heimat von Sigmund Jähn. Und sie wohnten 40 km voneinander entfernt.“

Sigmund Jähn habe als Offizier und General in der DDR Karriere gemacht, führt der Experte weiter aus. Ulf Merbold sei noch vor dem Bau der Mauer in den Westen gegangen. „Er ist dort auf Privatinitiative auch in die Raumfahrt gekommen. Und als Sigmund Jähn in der Wendezeit keine Arbeit hatte, hat der ehemalige ,Republikflüchtling‘, wie man so sagte, ihm geholfen, eine Arbeit zu finden, und zwar beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das auch jetzt ihn tot bekanntgegeben hat, und später auch bei der Europäischen Weltraumorganisation. Das ist sicherlich einmalig.“

Kowalski hat über Jähns Arbeit ständig berichtet und hat ihn regelmäßig getroffen. Dabei hat er den deutschen Gagarin bei den Weltraumtagen in seinem Heimatdorf Morgenröthe-Rautenkranz unterstützt, als Jähn immer dafür gesorgt hat, dass russische Kosmonauten als Gäste dort erschienen sind. „Ich habe ihm gesagt, pass auf, ich könnte sie dolmetschen, wenn sie ihre Vorträge halten, vom Flughafen abholen und wieder hinbringen.“

Das komplette Interview mit Gerhard Kowalski zum Nachhören:

(Quelle: Sputnik Deutschland / Copyright © Sputnik)

 

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