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Die Sonne erlebt mal wieder turbulente Zeiten. Im Interview mit RIA Novosti spricht der russische Astronom Sergej Bogatschow über die Ursachen der Sonnen-Eruptionen und die Gefahren der Magnetströme für Mensch und Erde.

RIA Novosti: Herr Bogatschow, guten Tag.

Sergej Bogatschow: Guten Tag.

RIA Novosti: Auf der Sonne brodelt es wieder. In den Medien ist die Rede vom stärksten Sonnenausbruch seit fünf Jahren. Was ist ein Sonnenausbruch? Ist es eine Art Atomexplosion?

Sergej Bogatschow: Es handelt sich tatsächlich um eine Explosion, aber nicht um eine Atomexplosion. Von der Erde aus sieht die Sonne ruhig aus, sie ist eine kleine gelbe Kugel. In Wirklichkeit aber ist unser Stern alles andere als ruhig. Seine Aktivitäten äußern sich vor allem in so genannten Sonnenausbrüchen. Es sind gigantische Explosionen - auf der Erde gibt es nichts Vergleichbares. Sie dauern nur wenige Sekunden. Aber in dieser Zeit wird so viel Energie abgegeben, die die Menschheit nur dann bekommen könnte, wenn sie alle Öl- und Kohlevorräte auf einmal verbrennen würde.

RIA Novosti: Es wäre toll, solch eine Energie mit friedlichen Zielen zu gewinnen!

Sergej Bogatschow: Da gibt es ein Problem: Diese Energie ist chaotisch.

RIA Novosti: Können sie voraussagen, wann und wo es zu einer Sonnen-Eruption kommt?

Sergej Bogatschow
: So etwas lässt sich ziemlich leicht voraussagen, aber nur kurzfristig. Sobald das Wetter auf der Erde für ein bzw. zwei Wochen voraussagbar ist, kann man die Aktivitäten der Sonne etwa zwei, drei Tage zuverlässig prognostizieren. Normalerweise sind dann auf der Sonne große aktive Bereiche erkennbar - Prozesse, die kurz vor den Sonnenausbrüchen ablaufen. Man kann sie analysieren und vermuten, wie stark der nächste Sonnenausbruch werden könnte.

RIA Novosti: Wie schlimm sind denn Magnetstürme? Können sie etwa die Gesundheit des Menschen oder Maschinen beeinflussen?

Sergej Bogatschow: Magnetstürme sind meistens die Folge von Sonnenausbrüchen - das ist eine Art Reaktion der Erde auf solche Einflüsse. Sonnenausbrüche folgen nicht immer Magnetstürmen, weil die Erde eigentlich eine kleine Kugel ist, die von der Sonne noch nicht getroffen wurde. Deshalb gehen die meisten Ausbrüche, selbst wenn sie groß sind, an der Erde vorbei. Dennoch reagiert die Erde darauf, und es entstehen Magnetstürme. Wir leben immerhin auf einem Planeten, der für das Leben gut geeignet und vor Einflüssen aus dem Weltall geschützt ist. Wir leben so gut wie auf dem Boden eines Luftmeeres und werden vor der Atmosphäre und dem Magnetfeld der Erde geschützt. Venus und Mars unterscheiden sich von der Erde dadurch, dass sie kein Magnetfeld haben. Wir haben also  Glück! Dieser Schild, oder besser gesagt zwei Schilde, schützen uns vor diesen Einwirkungen. All diese Wolken, das Plasma, das von der Sonne ausgestoßen wird, erreichen uns nicht. Dennoch reagiert die Erde auf diese Wolken und die Wellen der Sonnenausbrüche. Dann sind Polarlichter auf der Erde zu sehen, oder es kommt zu Störungen im Mobilfunknetz. Auch die Menschen sind davon betroffen - sie können Kopfschmerzen oder andere Leiden haben.

RIA Novosti: Aber Experten sprechen erst seit kurzem von Sonnenausbrüchen, obwohl die Erde und die Menschheit schon immer davon betroffen war?

Sergej Bogatschow: Natürlich gibt es Sonnenausbrüche seit der Entstehung der Erde. Es gibt zwei Gründe, warum zuletzt immer häufiger darüber gesprochen wird. Doch die Menschheit hat erst seit zehn Jahren so zuverlässige Geräte bzw. Satelliten, die die Beobachtung dieser Prozesse ermöglichen. Zudem ist es heute viel einfacher, an Informationen heranzukommen. Heute gibt es das Internet und Informationen können viel schneller weitergegeben werden. Diese zwei Faktoren spielen eine wichtige Rolle für das steigende Interesse an Magnetstürmen und an der Erforschung dieser Naturerscheinung usw.

RIA Novosti: In den Medien wird häufig schlagzeilenträchtig getitelt: „Der stärkste Sonnenausbruch seit fünf Jahren“ usw. Wie beurteilen Sie generell die Sonnenaktivitäten in den letzten Jahren? Gibt es voraussagbare zyklische Prozesse? Oder sind sie völlig chaotisch?

Sergej Bogatschow: Das ist wohl schwer zu glauben, aber die Menschheit beobachtet die Sonne bereits seit 260 Jahren. Solange befassen sich damit die Astronomen aus dem britischen Surrey. In dieser Zeit wurden viele Erfahrungen gesammelt, und manche Prozesse lassen sich schon nachvollziehen.

RIA Novosti: Aber 260 Jahre sind eine kurze Zeit, wenn man bedenkt, dass die Sonne schon seit fünf Milliarden Jahren existiert. Sind Erkenntnisse trotz der  kurzen Beobachtungsspanne möglich?

Sergej Bogatschow: Das ist möglich. Das Wichtigste, was wir von der Sonne wissen, ist ihre hohe bzw. geringe Aktivität. Alle elf Jahre erreicht die Sonne eine gewisse Höchstmarke - das ist so etwas wie ihr Puls, ihr Herzschlag. Wenn dieser Zyklus unterbrochen wird, kann das schlimme Folgen haben. Zurzeit nimmt die Sonnenaktivität langsam zu. Das ist der Grund für die vielen Medienberichte über die Sonnenausbrüche, die manchmal wirklich heftig sind. Allerdings muss ich sagen, dass dies aus wissenschaftlicher Sicht überraschend kommt, weil die Sonne derzeit eine aktive Phase erlebt.  Die Frage ist: Wann endet diese Phase? Wann erreicht sie ihren Höhepunkt? Die zweite Frage ist, ob die Sonnenaktivitäten einen neuen Rekord aufstellt oder doch schwächer wird. Vorerst haben wir keine Antwort darauf. Voraussichtlich werden die Sonnenaktivitäten im Sommer 2013 ihren Höhepunkt erreichen. Dann geht es allmählich zurück - es wird immer weniger Sonnenausbrüche und damit weniger Magnetstürme geben. Dann können die wetterabhängigen Menschen aufatmen.

RIA Novosti: Herr Bogatschow, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Das Gespräch führte Samir Schachbas

Zum Interviewten: Sergej Bogatschow ist Experte des Labors für Röntgenastronomie der Sonne am Moskauer Lebedew-Institut für Physik

 

 

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