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MOSKAU, (Juri Plutenko - für RIA Novosti RIA Novosti). Kurz vor dem Tag der Raumfahrt, der am 12. April begangen wird, hat der Kosmonaut Georgi Gretschko, zweifacher Träger des Titels „Held der Sowjetunion“, Juri Plutenko ein Interview gewährt.

grechko_georgi_1Noch am Vorabend des 12. April 1961 habe ich von dem für diesen Tag vorgesehenen Start des Raumschiffes Wostok mit dem Kosmonauten Juri Gagarin an Bord erfahren. Die Nachrichten vom Kosmodrom Baikonur wurden nämlich per Funk in unseren Arbeitsraum übermittelt. Wir erhielten operative Informationen über den Start und den Raumflug. So konnte ich die berühmten Worte Gagarins „Pojechali!“ („Los geht’s!“) hören. Ebenso wie die wichtigste Meldung vom Landungsort: „Wir sehen den Kosmonauten auf der Erde. Er geht und winkt mit den Händen!“

 

Obwohl Gagarin den höchsten Gipfel der Popularität erreicht hatte, behandelte er seine Freunde und Kameraden als Gleichgestellte. Er kam ab und zu an einen heran und fragte ihn um Rat. Der erste Kosmonaut half auch uns zivilen Kosmonauten sehr viel. Er genoss ein unbestrittenes Ansehen.

Gagarin sorgte manchmal für unsere Flüge und Übungen. In seinem Gedenkarbeitszimmer ist noch heute der Terminkalender zu sehen, in den er an seinem Todestag am 28. März 1968 geschrieben hatte: „Verständigen mit dem Luftfahrtklub über Flüge der Zivilpiloten.“ Selbstverständlich konnten die Zivilflieger unter Leitung eines Instrukteurs fliegen. Aber ich wollte so etwas nicht, denn ich hatte als Amateurflieger, als Segelpilot begonnen und wollte selbst fliegen. Das Steuern eines Raumschiffes und das Führen eines Flugzeuges sind ganz verschiedene Dinge. Einige Zivilpiloten pflegten zu sagen: „Wozu sollen wir ein Flugzeug fliegen? Die Militärs fliegen besser, als wir. Wir würden niemals mit ihnen gleichziehen. Erfahrungen beim Flugzeugführen werden im Weltraum nicht benötigt.“

 

Ich bin der Kosmonaut Nr. 34 in unserem Land. Von Kind auf träumte ich von Raketen und vom Weltraum und wurde späterhin Kosmonaut. Im Leben ist so etwas so gut wie unmöglich. Damals träumten Millionen von Jungen davon. Um Kosmonaut zu werden, reichte es nicht aus, gut zu lernen, Sport zu treiben oder in einem Konstruktionsbüro zu arbeiten. Glück gehörte natürlich auch dazu. Sonst wäre ich kein Kosmonaut geworden.

 

Viele interessieren sich heute für Außerirdische. Ich bin ihnen noch nicht begegnet. Obwohl ich im Weltraum versuchte, sie durch das Bullauge zu erblicken, und auf der Erde Orte besuchte, wo sie angeblich gesehen worden waren. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf! Ich warte auf den 23. Dezember 2013. Laut einigen alten chinesischen und indischen Chroniken soll an diesem Tag der winterlichen Sonnenwende etwas Erstaunliches geschehen. An diesem Tag endet auch der Kalender der Maya. Und die Maya selbst hatten keinen Kalender schaffen können, denn dafür sind ein Teleskop und eine genaue Uhr erforderlich. Allem Anschein nach wurde dieser Kalender von jemand anderem für sie geschaffen. Mir gefällt die Hypothese, der zufolge wieder Außerirdische herkommen werden, weil der von ihnen geschaffene Kalender abgelaufen ist. Und zwar mit dem Ziel, einen neuen Kalender oder eine Sintflut zu schaffen, weil wir mit unserem schönen Planeten Erde so schlecht umgehen.

Unsere Generation der ersten Kosmonauten besteht aus Romantikern. Jetzt gibt es Pragmatiker. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie Vitali Sewastjanow zusammen mit Andrian Nikolajew 18 Tage lang geflogen war und dieser Raumflug uns unendlich lang vorkam. Und Sergej Krikaljow war mehr als 800 Tage im All. Die heutigen Generationen wissen und können mehr. Die jetzige Generation hat vieles geleistet, denn sie stand auf den Schultern der ersten Kosmonauten.

Die mehrteiligen Raumstationen sind eine Sackgasse in der Entwicklung der Raumfahrt. Ein Paradox: je mehr Apparaturen und Blöcke, um so uneffektiver ist die betreffende Raumstation. Es sollten keine bemannten Raumstationen aus vielen fest miteinander verbundenen Blöcken mehr gebaut werden, denn die eine Apparatur muss nach der Erde, eine andere nach dem Horizont, eine weitere nach einem Stern und sonstige nach der Sonne, nach dem Mond und nach unserem Planeten ausgerichtet sein. Da eine solche Konstruktion starr ist, können die Blöcke unmöglich in andere Richtungen gedreht werden! Deshalb müssen die Blöcke gesondert fliegen.

Vor zehn bis 15 Jahren habe ich das Entstehen von Hubble vorausgesagt. Ich sagte, es muss ein spezieller automatischer Block gebaut werden, dessen sämtliche Geräte rund um die Uhr 365 Tage im Jahr von einer Quelle gleichen Typs betrieben werden. Wenn dort etwas kaputt gehen sollte, könnten sich Kosmonauten dorthin begeben und eine Reparatur durchführen. Die Raumstation ist deshalb wenig effektiv, weil dort nur eine Apparatur nach einem Stern oder nach der Sonne betätigt wird, während alle andersartigen Apparaturen tatenlos bleiben.

Die Shuttles sind ebenfalls wenig effektiv, auch sind deren Flüge kostspielig und gefährlich. Dagegen kann ein Hubble-Weltraumteleskop, das aus nur einem Block besteht, so viele Informationen übermitteln, wie keine Raumstation. Und wie viele Blöcke hat es in den Saljut-Raumschiffen und in der Weltraumstation Mir gegeben und wie viele sind es in der ISS! Eben deshalb müssen die heutigen Kosmonauten bald dies, bald jenes ausbessern. Dabei wurde das Hubble-Teleskop seit 15 Jahren nur drei- bis viermal repariert.

Der neue NASA-Direktor sagte vor kurzem, die ISS hätte nicht gebaut werden sollen, bei dem Projekt handelte es sich um eine strategisch falsche Entscheidung. Es müsse zum Mond und zum Mars geflogen werden. Dem Hubble habe sich ein neues Infrarot-Teleskop zugesellt, ein weiteres werde jetzt gebaut.

Wie wir glauben, gehen die Amerikaner, die sich die Finger bei den Shuttles verbrannt haben, von Flügelapparaten zu Systemen über, bei denen Landekapseln am Fallschirm niedergehen können. Wir aber verzichten auf das Schema des Sojus-Raumschiffes, das wie eine Kapsel ohne Flügel landet, und wollen zum beflügelten Clipper übergehen. Wie ich glaube, muss so bald wie möglich ein größeres Raumschiff gebaut werden, das wie eine Kapsel landen könnte. Das auf dem Rückweg von einem Weltraumflug oder gar einem interplanetaren Flug die Atmosphäre wie eine Kapsel durchdringen und erst nach dem Bremsen in der Atmosphäre starre Flügel entfalten könnte. Dann könnte es wie ein Flugzeug auf einem gewählten Landeplatz niedergehen. Es geht im Grunde genommen um eine Hybride aus einer Landekapsel und einem Flugzeug.

Der Bereich, wo wir den Amerikanern den Rang abgelaufen haben, ist der Aufbau geschlossener Lebensversorgungssysteme. Besonders, wenn es um längere Fristen, um künftige interplanetare Flüge geht. Ein Flug zum Mars würde eineinhalb bis zwei Jahre dauern, dabei könnten dem Raumschiff keine Raumtransporter nachgeschickt werden, wie das bei der ISS der Fall ist. Daher müssen ausreichende Wasser-, Luftgemisch- und Lebensmittelvorräte an Bord vorhanden sein. Wenn aber diese Vorräte, die für zwei Jahre ausgelegt sein sollten, in ein Raumschiff verladen werden, würde sich dieses in ein fliegendes Güterlager verwandeln.

Ich weiß noch, wie ich bei meinem ersten Raumflug im Jahre 1975 ein Experiment zum Züchten von Erbsen im Weltraum durchführen musste. Späterhin wurden Kohllauch und Weizen gezüchtet. Im Krasnojarsker Institut für Biophysik hat sich ein Mitarbeiter 13 Monate lang in einem völlig geschlossenen Raum aufgehalten! Er bekam nichts: weder Luftgemisch noch Wasser noch Nahrung. Er musste selbst ein Gewächshaus betreiben und konnte mit dessen Hilfe atmen, trinken und essen. So etwas hat weltweit noch niemand außer uns geleistet.

Nach den Katastrophen mit den US-Shuttles haben wir im vergangenen Jahr das ISS-Programm gerettet. Damit aber die ISS als wissenschaftliche Raumstation arbeiten kann, werden dort sechs Kosmonauten benötigt. Unser Raumschiff kann nur drei Personen befördern. Die Amerikaner bauen jetzt ein neues Raumschiff und die Europäer bauen ein neues größeres Transportraumschiff. Ich befürchte, dass wir bei all diesen Positionen zurückbleiben können. Freilich sind in amerikanischen und besonders in europäischen unbemannten Raumschiffen noch unsere Geräte installiert. Aber unsere besten Wissenschaftler reisen einer nach dem anderen ins Ausland aus. Bei einer solchen Tendenz werden wir auf dem Gebiet der Weltraumerschließung nicht mehr konkurrenzfähig sein.

Die USA haben unsere Arbeiten zur Schaffung verschiedener Blöcke für die ISS finanziert. Als Gegenleistung haben sie unseren Raum in der Weltraumstation und die Kapazität der Apparaturen genutzt, das heißt, uns nach und nach von der Raumstation weggedrängt. Es wird über die Aufstellung von Programmen zwischen den Jahren 2015 und 2050 viel Gutes geredet. Wir haben schon immer gute Programme gehabt, aber die Finanzierung hat sich in letzter Zeit drastisch verschlechtert. Sollte all dies mit schönen Worten enden und nicht finanziell untermauert werden, werden wir im Rückstand bleiben.

In den USA, in China, Frankreich, Indien und Brasilien entwickelt sich die Raumfahrt in einem besonders schnellen Tempo. Es ist durchaus möglich, dass die Chinesen bis zum Jahr 2020 ihre Kosmonauten auf dem Mond landen lassen.

Auch wird die Idee eines ersten gemeinsamen russisch-chinesischen Raumfluges diskutiert. Von meinem Standpunkt aus haben die SF-Autoren Recht, die internationale Besatzungen in den Weltraum schickten. Auch die Konstrukteure, die Apparaturen aus verschiedenen Ländern in einer Raumstation installieren ließen, haben Recht. Das Prinzip ist richtig. Jedes Land kann etwas besser tun, als die Anderen.

Weltraumprogramme sind kostspielig und es ist nicht für jedes Land erschwinglich, die einen oder anderen Experimente selbständig durchzuführen. Wie ich glaube, wird es schließlich nur einen internationalen Marsflug und keine drei nationalen geben.

 

 

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